Seit mehr als 40 Jahren besteht nunmehr die Städtepartnerschaft zwischen Aschaffenburg und Perth/Schottland. Beim Gesellschaftsklub "Fidelio" Schweinheim beschloß man daher, der schottischen "Twin Town" einen Besuch abzustatten und auch das Wandern in den Highlands auszuprobieren.

Schottland 1997 - Fahrtroute

So bestiegen schließlich am Mittwoch, 21.05.97, 64 "Fidelianer'', darunter 14 Kinder und Jugendliche, den luxuriösen "Bistro-Bus”, der uns so schnell nach Holland brachte, daß wir vor dem Einschiffen in Rotterdam noch Gelegenheit zu einem kurzen Abstecher in die Käsestadt Gouda hatten.

Abfahrt in Schweinheim

Die Nachtfähre von Rotterdam nach Hull benötigte für die Überfahrt ca. 12 Stunden, genug Zeit also, um die diversen Freizeiteinrichtungen an Bord (Disco, Salon usw.) zu testen und auch das Schlafbedürfnis zu befriedigen. Am frühen Morgen betraten wir ausgeruht und gut gelaunt englischen Boden. Die zweite Busetappe führte nunmehr an der Nordseeküste entlang. Nach einem Zwischenstop in Whitby - einem bekannten Badeort - dessen Strand, nicht aber Luft- und Wassertemperaturen, man sich durchaus auch am Mittelmeer vorstellen kann, überquerten wir dann im Laufe des Nachmittags bei Lamberton die schottische Grenze. Am frühen Abend erreichten wir unsere Partnerstadt Perth und bezogen die Quartiere in den für Großbritannien typischen Gästehäusern, die "Bed and Breakfast" bieten. Im Laufe eines gemeinsamen Abendessens im City Mills Hotel nahmen wir dann Kontakt mit den "Friends of Aschaffenburg" auf, die das Programm der folgenden Tage ausgearbeitet hatten und uns hierbei begleiteten.

Edradour - Whiskybrennerei

Der Freitag diente der Erkundung der näheren Umgebung. In Dunkeld - etwa 20 km nördlich von Perth - steht eine der ältesten Kathedralen Schottlands. Die wunderschön in einem Park am Fluß Tay gelegene Kirche wurde bereits 1107 gegründet. Die derzeitige Bausubstanz stammt im wesentlichen aus dem 15. Jahrhundert. Noch etwas weiter nördlich in Pitlochry, einem der beliebtesten Ferienorte für den Sommerurlaub, befindet sich nicht nur Schottlands geographischer Mittelpunkt, sondern in dem Weiler Balnauld auch dessen kleinste Whiskybrennerei (Ausstoß etwa 3.400 Flaschen in der Woche). Während einer Besichtigung der Destillerie wurden wir in die Kunst des Whiskybrennens eingeweiht, lernten den Unterschied zwischen "Single Malt" und "Blended" kennen und durften selbstverständlich auch eine Kostprobe des dortigen Nationalgetränks nehmen.

Eine besondere Attraktion von Pitlochry ist die Unterwasser-Beobachtungsstation der Lachstreppe. Tausende von Lachsen überwinden hier den durch die Staustufe des Loch Fascally bedingten Höhenunterschied und können - sofern man gerade Glück hat - hinter Glas beobachtet werden. Ein Abstecher zu den Bruar-Wasserfällen rundete das Programm dieses Tages ab.

Dundee - mit 175.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Schottlands - war am nächsten Morgen unser erstes Ziel. Touristischer Anziehungspunkt in der aufstrebenden Dienstleistungsmetropole ist "Discovery Point". Dort hat die "RR Discovery", das Schiff des Antarktikforschers Robert F. Scott, ihren letzten Ankerplatz gefunden. In dem angeschlossenen Besucherzentrum kann man insbesondere die Geschichte der Südpolarexpedition von 1901 - 1904 nacherleben, während der das Schiff mit Besatzung zwei Winter im ewigen Eis festsaß. Die Eisenbahnbrücke über den Firth of Tay, die Tay Rail Bridge, erlangte traurige Berühmtheit, als sie 1879 - damals mit knapp 3 km Spannweite die längste Brücke der Welt - nach einem Sturm zusammenstürzte und dabei einen Personenzug mit 75 Menschen mit in die Tiefe riß. Theodor Fontane hat dieses Unglück in seinem Gedicht "Die Brücke am Tay" verewigt.

St. Andrews, nur 20 km südöstlich von Dundee gelegen, kann man getrost als "Mekka der Golfspieler'' bezeichnen. Dort zieht sich der legendäre "Old Course" direkt an der Küste entlang und hinter dem ersten Anschlag thront majestätisch das Klubhaus des "Royal and Ancient Golf Club" - Sitz der obersten Regelbehörde des europäischen Golfsports. Daneben gab es in der kleinen Stadt (nur ca.14.000 Einwohner) aber auch die kleinste und älteste Universität Schottlands (1411 gegründet) zu sehen, sowie die eindrucksvolle Ruine der 1160 - 1328 erbauten Kathedrale, deren stehengebliebene Ost- und Westfront noch einen guten Eindruck ihrer ehemals gewaltigen Größe (102 m lang und 49 m breit) vermittelt.

St. Andrews

In der dem HI. Johannes geweihten Kirche der katholischen Gemeinde von Perth hatte unser Mandolinen-Orchester durch die Vermittlung unserer schottischen Freunde Gelegenheit, sich an der Gestaltung des samstäglichen Vorabend-Gottesdienstes zu beteiligen. Die für schottische Ohren außergewöhnliche Musik wurde dennoch mit großer Begeisterung aufgenommen und viele Gottesdienstbesucher bedankten sich persönlich und mit großer Herzlichkeit für die gelungene Darbietung.

Schottland ist ein bekanntes und beliebtes Wandergebiet, daher war es für uns ein "Muß", das Land auch einmal auf Schusters Rappen zu erkunden. Unter Führung von Mitgliedern des Hiking-Clubs aus Perth brachen wir am Sonntag zu einer Wanderung von Dowally nach Dunkeld auf. Nach einem etwa halbstündigen Anstieg vom Tal aus erreichten wir die Hochfläche, wo die fruchtbaren Böden enden und in wasserreiches, hochmoorartiges Gelände übergehen. Die überragenden Hügel sind spärlich bewachsen (meist Moose) und zeigen keinerlei Baumbestand. Allgegenwärtige Begleiter sind in dieser wildromantischen, sehr dünn besiedelten Gegend nur die dort weidenden Schafe und die murmelnden Wasserläufe. Nach der Mittagsrast am "Loch Orgie" - wo schon Königin Viktoria Station machte - wanderten wir weiter durch das Land des Herzogs von Atholl bis wir nach etwa 4 1/2 Stunden Laufzeit Dunkeld erreichten. Die Landschaft die wir durchquerten - so ganz anders als der Spessart - hat bei allen einen tiefen Eindruck hinterlassen.

Wanderung von Dowally nach Dunkeld

Gleich am nächsten Tage konnten wir dies noch ergänzen, denn die Highland-Tour stand auf dem Programm. Über Crieff und Tyndrum ging es durch eine herrliche, abseits der Straße nahezu menschenleere Gegend zum Tal von Glencoe - berüchtigt durch das Massaker der Campbells an den MacDonalds am 13. Februar 1692. Hier reichen einige Bergspitzen über die 1000 m - Marke. Dies erscheint zwar nicht allzuviel, es mag aber der Hinweis genügen, daß auf diesen Bergen weniger Bergwandern als Bergsteigen - und das vom feinsten - angesagt ist. Nach einem kurzen Halt in Fort William, dem Eingang zum Caledonian Canal, zu dem auch das berühmte "Loch Ness" gehört, bestiegen wir den Ben Nevis, mit 1.343m der höchste Berg Großbritanniens. Zugegeben werden muß allerdings, daß wir nicht ganz oben waren und der "Aufstieg" von Ben Nevis Range aus mit der (österreichischen) Seilbahn erfolgte. Über Spean Bridge, Loch (= See) Laggan - einem der 1.732 Seen in Schottland - erreichten wir wieder Perth.

Highlands

Dort erwartete uns am nächsten Tage der offizielle Empfang beim Bürgermeister, der uns - in die Landestracht, den Kilt, gekleidet - herzlich begrüßte. Er zeigte sich besonders davon erfreut, daß zu unserer Reisegruppe auch Kinder und Jugendliche gehörten, was für den Fortbestand der Partnerschaft hoffen lasse. Den Nachmittag nutzten wir zu einem Stadtrundgang in Perth. Dieses ist mit ca. 46.000 Einwohnern etwas kleiner als Aschaffenburg und gilt als "Tor zu den Highlands". Perth hat auch seinen Platz in der Geschichte, denn im nahegelegenen Scone Palace befand sich der traditionelle Krönungsort der schottischen Könige.

Perth - Empfang im Rathaus

Ein weiterer Höhepunkt unserer Reise war der Besuch Edinburghs, der Hauptstadt und dem kulturellen Mittelpunkt Schottlands. Nach dem Besuch der die Innenstadt beherrschenden Burg bummelten wir über die sogenannte "Royal Mile", die königliche Flaniermeile, bis zu Holyrood Palace, der offiziellen Residenz der britischen Monarchen in Edinburgh. Auch die belebte Princess Street mit eindrucksvollen Baulichkeiten wie dem Balmoral Hotel oder dem über 60m hohen Denkmal des schottischen Nationaldichters Sir Walter Scott ist mehr als sehenswert. Ein Tag zum Erforschen dieser begeisternden Metropole ist in jedem Falle weit zu wenig; ein Wiedersehen daher angesagt.

Edinburgh

Glamis Castle - ein Kleinod schottischer Burgromantik - war am Freitag, dem 29.05., zugleich unserem letzten Tag in Schottland, unser Ziel. Über eine sicher einen Kilometer lange Eichenallee, umgeben von einer weitläufigen Parklandschaft, erreicht man dieses Märchenschloß, das bereits seit mehr als 600 Jahren von der Familie der Grafen von Strathmore und Kinghorne bewohnt wird, dem Geschlecht, aus dem u.a. die Mutter der derzeitigen Königin Elisabeth II stammt.

Glamis Castle

Zum Abschied hatten uns die "Friends of Aschaffenburg" in den Civilan Service Club eingeladen. Nach einem gemeinsamen Dinner genossen wir schottische Folklore mit Dudelsack-Pfeifer und einer Tanzgruppe. Auch unsere Mandolinengruppe trug mit einigen Weisen zu einem rundum gelungenen Abend bei. Schon in aller Frühe traten wir am Freitag unsere Heimreise an. Nach kurzem Aufenthalt im "Heiratsparadies" Gretna Green und einem Abstecher nach York, wo wir Gelegenheit hatten, die bekannte Kathedrale zu besuchen, erreichten wir abends Hull und nach einer ruhigen Seereise betraten wir in Zeebrügge wieder den Kontinent.

Abschiedsabend in Perth

Was bleibt, sind Erinnerungen an freundliche und entgegenkommende Menschen, großartige Landschaften, schönes Wetter! (zu dieser Zeit in Schottland besser als im Spessart), beeindruckende Städte, den Hauch der Geschichte, und natürlich auch an gemütliche Pubs.

Aus "Fidelio aktuell", Dezember 1997
Verfasser und Fotos: Eberhard Väth